
Kaiser und Kind haben sich zum Essen im Café Aroma verabredet. Es ist noch früh am Abend und sie lassen sich an einem Tisch im mittleren Raum nieder.
Der Kaiser bestellt sich 'Spadellata di pesce spada, gamberi e funghi in salsa di zenzero e miele',
das Kind nimmt mit einer 'Pizza bianca al gorgonzola e noci' vorlieb; zu trinken gibt es Wasser - Wein entfällt aus verschiedenen Gründen, der Kellner Pino entschwebt - bald Kante, bald Scheibe - mit den Karten.
Der Kaiser bestellt sich 'Spadellata di pesce spada, gamberi e funghi in salsa di zenzero e miele',
das Kind nimmt mit einer 'Pizza bianca al gorgonzola e noci' vorlieb; zu trinken gibt es Wasser - Wein entfällt aus verschiedenen Gründen, der Kellner Pino entschwebt - bald Kante, bald Scheibe - mit den Karten.
Es verbindet Kaiser und Kind eine längere Freundschaft nach jenen denkwürdigen Worten "Men han har jo ikke noget paa", die der Kaiser seinerzeit nur deshalb nicht pariert hatte, etwa des Sinnes: was wohl von einem Kinde zu halten sei, dass sich im virtuellen Raum eines Märchens bewege, da dieser Einwand wohl nicht spurlos an ihm selbst vorübergegangen wäre.
Je nun, sie sitzen sich gegenüber, knibbeln am Brot, nippen am Wasser,
von den Wänden blickt ein düsteres Rudel Fotos herab.
"Wusstest Du, das es den Fotografen hier gar nicht gibt", fragt der Kaiser, " es gibt keinen 'Franco Molfrani' - ich hab's im Internet recherchiert: alle Hinweise laufen in sich selbst zurück."
Je nun, sie sitzen sich gegenüber, knibbeln am Brot, nippen am Wasser,
von den Wänden blickt ein düsteres Rudel Fotos herab.
"Wusstest Du, das es den Fotografen hier gar nicht gibt", fragt der Kaiser, " es gibt keinen 'Franco Molfrani' - ich hab's im Internet recherchiert: alle Hinweise laufen in sich selbst zurück."
Das Kind blickt sich um: "Und die zwei anderen Fotografen, 'Gino Puddu' und 'Paolo Primiero'?"
"Die gibt's auf jeden Fall, so sicher wie dich und mich."
"Erinnerst du dich an den blinden Fotografen 'Evgen Bavcar', der hat hier auch mal ausgestellt - und da ging's doch schon los: die Bilder sind Wegweiser, aber wohin?" "Keine Ahnung, in die Vorstellung des Fotografen?" "Und wenn's den gar nicht gibt: in die des Betrachters?" "Momentchen, ich komme, glaube ich, nicht ganz mit: dieses Foto hier", er deutet auf eine wackelige Ansicht vom Palast der Republik, "ist eine Vorstellung von mir?" "Allerdings, und es kommt noch besser: jedes Bild und jeder Betrachter sind Vorstellungen mit der Neigung im Augenblick des Entstehens sich bereits wieder aufzulösen - in welchem Grade der Auflösung sie sich befinden, kann nicht sicher von ihnen gesagt werden, sie befinden sich irgendwo auf einer Skala zwischen 100%ig da und völlig weg."
"Die gibt's auf jeden Fall, so sicher wie dich und mich."
"Erinnerst du dich an den blinden Fotografen 'Evgen Bavcar', der hat hier auch mal ausgestellt - und da ging's doch schon los: die Bilder sind Wegweiser, aber wohin?" "Keine Ahnung, in die Vorstellung des Fotografen?" "Und wenn's den gar nicht gibt: in die des Betrachters?" "Momentchen, ich komme, glaube ich, nicht ganz mit: dieses Foto hier", er deutet auf eine wackelige Ansicht vom Palast der Republik, "ist eine Vorstellung von mir?" "Allerdings, und es kommt noch besser: jedes Bild und jeder Betrachter sind Vorstellungen mit der Neigung im Augenblick des Entstehens sich bereits wieder aufzulösen - in welchem Grade der Auflösung sie sich befinden, kann nicht sicher von ihnen gesagt werden, sie befinden sich irgendwo auf einer Skala zwischen 100%ig da und völlig weg."
'Spadellata di pesce spada' und 'Pizza bianca al gorgonzola' werden hereingetragen, es kehrt gefräßige Stille zwischen den beiden Freunden ein.
Nach einer Weile mit vollem Mund das Kind: "Was hat denn das jetzt mit diesen Fotos zu tun, wenn es von allen Bildern gesagt werden kann?" "Gesagt schon, aber es geht nicht aus ihnen hervor, ihr Aroma macht den Unterschied: sie regen den Appetit an." "Auf mich wirken sie eher banal, nichts Besonderes." "Weißt du", der Kaiser läuft jetzt in seine Spezialstrecke ein, "banal ist allein der Tod, alles andere bewegt sich auf einer Skala von wahr bis brutal; wahr ist Evidenz, der Schmerz ist brutal - beide sind durcheinander vermittelt." "Und wo befindet sich dabei die Fotografie?" "Die vermittelt zwischen Licht und Dunkelheit, negativ/ positiv - sozusagen praktizierter Dualismus - dem Schmerz des Vergehens, aber im Geist seiner vorläufigen Natur."
"Au Mann", dachte das Kind, "wenn das so weitergeht, schaff' ich den Nachtisch nicht mehr!" Dann aber doch recht frisch:"Diese Bilder, meinst du, vermitteln uns, daß alles, sie selbst mit eingeschlossen, sich auf einer Bahn in den Tod befinden, der selber nichts als eine Banalität ist, also nichts Besonderes?" "Ganz genau, das Besondere an ihnen ist, daß sie uns nicht vermitteln, etwas Besonderes zu sein, soweit negativ zwar, diese Nähe zur Banalität sie uns aber, den Betrachtern, verwandt macht: wir sind somit nahe Verwandte dieser Bilder." "Was ja nicht immer schön ist." "Nein, wahrhaftig nicht, einmal sind sie so, wie wir sein wollen, dann wieder so, wie wir nicht sein wollen, verwandt und verschieden, und sind somit ambivalent im Sinne von Unentschiedenheit, diese Fotos wissen noch nicht so recht, ob sie uns mögen oder nicht, ob sie unsere Nähe ertragen können, unsere Ausdünstungen, unser Gerede - sie überlegen noch." "Und der Fotograf, dieser Molfrani, hat es vorgezogen, gar nicht erst existent zu sein - anders als der chinesische Maler, der in seinem Bild verschwindet und sich zuletzt noch einmal grüßend umwendet, sondern irgendwie eher japanisch: kein Foto-kein Fotograf-kein Betrachter!" Der Kaiser beschaut nachdenklich seinen abgegessenen Teller: "Vielleicht der Versuch, sich aus der Nahrungskette auszukoppeln, Schlingen und Verschlungenwerden: auch der Schwertfisch muss sich letztlich wieder hinten anstellen." Ja, und wir müssen uns jetzt den Nachtisch bestellen: ich nehme die 'Quenelle di cioccolato bianco con salsa di frutta!" "Lass mich mal aus, du weißt: mein Zucker."
"So, und nun noch der Titel 'Hinaus in die Stadt: Berlin' - ist das jetzt ein Adhortativ oder ein Imperativ?" "Wie du willst, oder wie deine - ähem - antiautoritäre Struktur es erlaubt." "Das ist vielleicht eine Antwort, ich sag' gleich wieder "Men han har jo ikke noget paa" zu dir, nee aber im Ernst: sind wir jetzt in der Stadt oder sollen wir in die Stadt?" "Letztlich wohl beides; denk nur an Ernst Blochs '...und worin noch niemand war: Heimat.' Anders nur darin, auf dem Wege dorthin zu sein und zugleich dort." "Wird sich das nicht irgendwann entscheiden?" "Doch, jetzt." Kaiser und Kind ziehen ihre Mäntel an und treten hinaus ins nächtliche Berlin.
Nach einer Weile mit vollem Mund das Kind: "Was hat denn das jetzt mit diesen Fotos zu tun, wenn es von allen Bildern gesagt werden kann?" "Gesagt schon, aber es geht nicht aus ihnen hervor, ihr Aroma macht den Unterschied: sie regen den Appetit an." "Auf mich wirken sie eher banal, nichts Besonderes." "Weißt du", der Kaiser läuft jetzt in seine Spezialstrecke ein, "banal ist allein der Tod, alles andere bewegt sich auf einer Skala von wahr bis brutal; wahr ist Evidenz, der Schmerz ist brutal - beide sind durcheinander vermittelt." "Und wo befindet sich dabei die Fotografie?" "Die vermittelt zwischen Licht und Dunkelheit, negativ/ positiv - sozusagen praktizierter Dualismus - dem Schmerz des Vergehens, aber im Geist seiner vorläufigen Natur."
"Au Mann", dachte das Kind, "wenn das so weitergeht, schaff' ich den Nachtisch nicht mehr!" Dann aber doch recht frisch:"Diese Bilder, meinst du, vermitteln uns, daß alles, sie selbst mit eingeschlossen, sich auf einer Bahn in den Tod befinden, der selber nichts als eine Banalität ist, also nichts Besonderes?" "Ganz genau, das Besondere an ihnen ist, daß sie uns nicht vermitteln, etwas Besonderes zu sein, soweit negativ zwar, diese Nähe zur Banalität sie uns aber, den Betrachtern, verwandt macht: wir sind somit nahe Verwandte dieser Bilder." "Was ja nicht immer schön ist." "Nein, wahrhaftig nicht, einmal sind sie so, wie wir sein wollen, dann wieder so, wie wir nicht sein wollen, verwandt und verschieden, und sind somit ambivalent im Sinne von Unentschiedenheit, diese Fotos wissen noch nicht so recht, ob sie uns mögen oder nicht, ob sie unsere Nähe ertragen können, unsere Ausdünstungen, unser Gerede - sie überlegen noch." "Und der Fotograf, dieser Molfrani, hat es vorgezogen, gar nicht erst existent zu sein - anders als der chinesische Maler, der in seinem Bild verschwindet und sich zuletzt noch einmal grüßend umwendet, sondern irgendwie eher japanisch: kein Foto-kein Fotograf-kein Betrachter!" Der Kaiser beschaut nachdenklich seinen abgegessenen Teller: "Vielleicht der Versuch, sich aus der Nahrungskette auszukoppeln, Schlingen und Verschlungenwerden: auch der Schwertfisch muss sich letztlich wieder hinten anstellen." Ja, und wir müssen uns jetzt den Nachtisch bestellen: ich nehme die 'Quenelle di cioccolato bianco con salsa di frutta!" "Lass mich mal aus, du weißt: mein Zucker."
"So, und nun noch der Titel 'Hinaus in die Stadt: Berlin' - ist das jetzt ein Adhortativ oder ein Imperativ?" "Wie du willst, oder wie deine - ähem - antiautoritäre Struktur es erlaubt." "Das ist vielleicht eine Antwort, ich sag' gleich wieder "Men han har jo ikke noget paa" zu dir, nee aber im Ernst: sind wir jetzt in der Stadt oder sollen wir in die Stadt?" "Letztlich wohl beides; denk nur an Ernst Blochs '...und worin noch niemand war: Heimat.' Anders nur darin, auf dem Wege dorthin zu sein und zugleich dort." "Wird sich das nicht irgendwann entscheiden?" "Doch, jetzt." Kaiser und Kind ziehen ihre Mäntel an und treten hinaus ins nächtliche Berlin.
FW